Entwässerung bei Neubau & Sanierung: Alles, was du wissen musst
Geschrieben von:
Sven Junglas-Mühl
Inhaber & Geschäftsführer
Spring Studio
Wenn der erste Herbstregen kommt…
… und das Wasser im frisch angelegten Garten plötzlich stehen bleibt, spüren viele Bauherren zum ersten Mal, wie entscheidend Entwässerung wirklich ist. Besonders im Neubau, wo der Boden verdichtet ist wie eine Baustellenzufahrt, reicht ein einziger Starkregen, um Terrassen zu unterspülen, Rasenflächen zu vernässen oder Kellerlichtschächte zu gefährden.
Was wirkt wie ein technisches Randthema, entscheidet in Wahrheit über Komfort, Langlebigkeit und Wertigkeit des gesamten Gartens.
Entwässerung ist keine unsichtbare Nebensache – sie ist das Fundament eines funktionierenden Außenraums.
Warum das Thema jetzt wichtig ist
Unsere Gärten erleben heute zwei Entwicklungen gleichzeitig: Mehr versiegelte Flächen und deutlich intensivere Regenereignisse.
Ein Sommerregen ist längst kein Sommerregen mehr – er kommt in Schüben, in denen innerhalb von 20 Minuten mehr Wasser fällt als früher in einem ganzen Nachmittag.
Gleichzeitig sitzen Terrassen näher am Wohnraum, Hofeinfahrten liegen bündig mit Garagen, Pools werden in immer kleinere Grundstücke integriert. Alles ist enger, moderner, präziser – und damit anfälliger, wenn Wasser nicht dorthin fließt, wo es soll.
In der Planung sprechen wir oft von der „unsichtbaren Architektur“ eines Gartens. Entwässerung gehört genau dort hin: Ein System, das man nicht sieht, aber sofort spürt, wenn es fehlt.
Die Grundlagen verstehen – wie Wasser sich im Garten bewegt
Um Entwässerungssysteme richtig zu wählen, hilft ein kurzer Blick auf die Physik dahinter:
Wasser sucht immer den tiefsten Punkt, folgt dem Gefälle und sammelt sich dort, wo der Boden es nicht aufnehmen kann.
Besonders Neubaugrundstücke überraschen Bauherren. Sie wirken offen und durchlässig, sind aber in Wahrheit massiv verdichtet. Nach Baustellenverkehr ist der Oberboden wie eine gepresste Schicht – man kann ihn mit einem Finger kaum eindrücken. Regen versickert hier kaum, die Folge sind Pfützen und Staunässe, selbst bei eigentlich sandigen Böden.
Eine gute Entwässerung denkt also immer in zwei Richtungen:
Oberflächenwasser ableiten, bevor es Schaden anrichtet.
Regenwasser versickern lassen, wo es natürlich zurück in den Boden gelangen kann.
Aus diesen beiden Prinzipien entstehen alle Systeme, die wir im Gartenbau einsetzen.
Die wichtigsten Entwässerungssysteme
1. Linienentwässerung – die präzise Kante
Stell dir eine Terrasse vor, die direkt ans Haus anschließt. Der Übergang ist fließend, die Fugen klar. Genau hier braucht es eine definierte Linie, die Wasser aufnimmt, bevor es an die Hauswand zieht.
Eine Linienentwässerung besteht aus einer schmalen Rinne mit Rostabdeckung. Sie nimmt das Oberflächenwasser sofort auf und leitet es kontrolliert in ein Rohrsystem oder in die Versickerung.
Vorteile:
• ideal für Terrassen, Hofeinfahrten, Poolumrandungen
• sauber, modern, architektonisch
• leicht zu reinigen
Nachteile:
• korrektes Höhenmanagement ist entscheidend
• bei Billigsystemen klappernde Roste und schwache Stabilität
In unseren Projekten verwenden wir meist Polymerbeton oder hochwertige Kunststoffsysteme – sie wirken ruhig und fügen sich unauffällig ein.
2. Punktabläufe – der kleine Helfer für kritische Stellen
Ein Punktablauf ist im Grunde ein tiefer gesetzter Sammelpunkt mit Gitterrost. Er eignet sich dort, wo Gefälle sich bündelt:
am Fuß einer Kellertreppe, in Innenhöfen, bei kleinen Terrassenflächen.
Vorteile:
• kompakt
• gut nachrüstbar
• ideal bei begrenzten Flächen
Nachteil:
• braucht ein exakt gerichtetes Oberflächengefälle – sonst steht Wasser daneben.
Auf Baustellen sehen wir oft das gleiche Problem: Der Punktablauf ist da, aber das Gefälle läuft in die falsche Richtung. Ein Zentimeter reicht für Ärger.
3. Drainage – das unterirdische Entlastungssystem
Eine Drainage – also ein gelochtes Rohr in Kiesbett – dient dazu, Wasser abzuleiten, das im Boden steht oder gegen Bauwerke drückt.
Typisches Einsatzgebiet: Terrassenplatten mit ungebundener Bauweise, Hanggrundstücke, Stützmauern, Zufahrten.
Die Drainage nimmt das Wasser auf, das durch die oberen Schichten sickert, und führt es in eine Rigole oder Ableitung.
Vorteile:
• verhindert Frostschäden und Setzungen
• reduziert Staunässe an Bauwerken
• große Wassermengen möglich
Nachteile:
• kann versanden, wenn keine Filtervliese genutzt werden
• braucht regelmäßige Spülreinigung alle 3–5 Jahre
Viele Bauherren glauben, eine Drainage löse jedes Problem. In Wahrheit ist sie ein Baustein – aber nie die einzige Antwort.
4. Rigolen – die unsichtbaren Speicher
Eine Rigole ist ein unterirdischer Hohlraum (z. B. aus Kies oder Kunststoffspeicherkörpern), in dem Regenwasser gesammelt und langsam versickert wird.
Sie ist die „Versicherung“ moderner Gärten, vor allem dort, wo wenig Flächen versickern dürfen.
Vorteile:
• hohe Speicherkapazität
• kann auch Dachwasser aufnehmen
• unsichtbar im Betrieb
Nachteile:
• braucht fachgerechte Dimensionierung (hydraulische Berechnung)
• Einbau erfordert sorgfältige Verdichtungsschichten
In dicht bebauten Wohngebieten wird die Rigole zunehmend zum Standard – auch auf Grund kommunaler Vorgaben.
5. Oberflächenmodellierung – die sanfteste aller Methoden
Manchmal ist die beste Entwässerung nicht technisch, sondern topografisch:
Ein leichtes Gefälle von 2–3 % reicht, um Wasser ruhig und elegant dorthin zu lenken, wo es versickern darf – etwa in ein Pflanzbeet, eine Mulde oder einen Regenwassergarten.
Diese Methode ist leise, nachhaltig und wirkt fast poetisch: Der Garten selbst führt das Wasser, wie eine weiche Landschaft.
Ein Praxisbeispiel aus Berlin
In einem Neubaugebiet in Pankow standen wir vor einer vertrauten Situation:
Eine große Terrasse, bündig zum Wohnraum, mit minimalem Gefälle. Der Bauherr klagte über stehende Pfützen nach jedem Regenschauer.
Die Lösung war eine Kombination:
• eine präzise gesetzte Linienrinne direkt an der Hauskante
• ein unterirdisches Drainagerohr, das die Rinne entlastet
• eine kleine, aber effiziente Rigole unter dem Rasen
Das Ergebnis: Die Terrasse wirkt heute wie ein ruhiger, trockener Innenhof – selbst bei Starkregen.
Was viele überrascht: Nicht das teuerste System entscheidet, sondern die Abstimmung zwischen den Systemen.
Typische Fehler – und was sie auslöst
Das sehen wir auf Baustellen ständig:
„Das Gefälle stimmt doch ungefähr.“
Schon 0,5 % falsches Gefälle führen dazu, dass Wasser zur Hauswand läuft.
Drainagen ohne Filtervlies.
Nach zwei Jahren versandet alles – und die Schäden beginnen unbemerkt.
Zu kleine Rigolen.
Starkregen fühlt sich nicht an wie 10 Liter – sondern wie 200. Unterdimensionierung ist das häufigste Problem.
Rinnen, die zu hoch sitzen.
Dann fließt das Wasser nebenher, nicht hinein.
Keine Abstimmung zwischen Gartenbau und Hausbaufirmen.
Der Klassiker: Die Garage entwässert in den Garten – aber niemand hat eine Versickerung geplant.
Verdichtete Böden, die nicht gelockert wurden.
Der Boden ist die natürliche Drainage. Wenn er wie Beton ist, hilft kein System wirklich.
Konkrete Empfehlungen FÜR DEINE ENTWÄSSERUNG
• Beginne immer mit einer Gefälleplanung.
Bevor ein einziges Rohr liegt, muss klar sein, wohin das Wasser laufen soll.
• Setze Linienentwässerung an Hauskanten – niemals Punktabläufe.
Sie ist sicherer und optisch ruhiger.
• Denke Rigolen früh mit.
Sie geben Planungsfreiheit für Terrassen, Wege und Dachentwässerung.
• Kombiniere Systeme statt auf ein Wundermittel zu vertrauen.
Eine gute Entwässerung ist ein Team, nicht ein Bauteil.
• Verlass dich nicht auf das Auge – arbeite mit Laser- oder Schlauchwaage.
Ein Millimeter zu viel oder zu wenig entscheidet über Jahre.
FAZIT
Gute Entwässerung fühlt sich nicht spektakulär an.
Sie ist ein stiller Begleiter, der dafür sorgt, dass ein Garten atmet, funktioniert und lange schön bleibt. Oft sagen Bauherren nach einem Jahr: „Wir merken sie gar nicht mehr.“
Genau das ist der Moment, in dem man weiß: Sie wurde perfekt geplant.
Häufige Fragen
Wie viel Gefälle braucht eine Terrasse wirklich?
Idealerweise 2 %, also 2 cm pro Meter – genug für sicheren Abfluss, ohne sichtbare Schieflage.
Wann braucht man eine Rigole?
Immer dann, wenn Regenwasser vor Ort versickern muss und die Fläche selbst nicht genug Aufnahmefähigkeit bietet.
Kann ich eine Drainage nachrüsten?
Ja, aber es ist aufwändiger. Besser bei Neubau oder Terrassen-Neubau einplanen.
Sind Rinnen an der Terrasse Pflicht?
Nicht gesetzlich – aber in 90 % der Neubauten absolut empfehlenswert.
Wie teuer ist ein Entwässerungssystem?
Von 800 € (kleine Punkt- oder Linienlösung) bis 3.000–10.000 € für kombinierte Systeme mit Rigole.